Pasubio, Monte Grappa und Altopiano di Sette Comuni
Freitag, 31. Juli 2020 - Montag, 03. August 2020
Am ersten August Wochenende stand eine 4-tägige MTB-Tour auf die Südseite der Italienischen Alpen auf dem Programm. Diesmal sollte nicht der MTB-Hotspot Gardasee, sondern die auf der anderen Seite des Etschtals gelegenen und deutlich unbekannteren Vizentiner Alpen erkundet werden.
Zeitig um 4.00 Uhr starteten wir am Freitag in Eichstätt, um trotz sechsstündiger Anfahrt auch den ersten Tag bereits für eine Tour nutzen zu können. Als Ziel hatten wir den Gipfel des 1354 m hohen Monte Cengio ausgewählt. Neben den landschaftlichen Reizen mit tiefen Blicken und einem Panorama über die Asiago-Hochebene, die, auch als „Sette Comuni“ bezeichnet, einen eigenen Kulturraum mit deutschen Sprachwurzeln darstellt, ist der Monte Cengio ein historischer Schauplatz, als Bastion und Austragungsort mehrerer Schlachten während des 1. Weltkrieges.
Wir starten bei knackigen 32 Grad und erreichen nach einem zweistündigen Uphill über Teer- und Forststraßen einen Sattel mit Mahnmal und es bietet sich uns ein erster Blick auf die Festungsbauten aus dieser Zeit. Nach einer wohlverdienten Einkehr fahren wir weniger steil auf dem „Refugio al Granatieri“, einem Querweg an der Westseite des Monte Cengio. Dabei durchqueren wir beeindruckende in den Stein gehauene Galerien, Tunnel und Gefechtsstände und uns bieten sich landschaftlich wunderbare Blicke in das Valle dell´Astico. Nach einem letzten Anstieg heißt es dann zum ersten Mal „Berg heil“ auf der „Piazzale Pennella“, einem ehemaligen Generalstand der Italiener und jetzigem Monument, im Bewusstsein das im 1. Weltkrieg allein an diesem Berg mehr als 10 000 Menschen ihr Leben ließen. Der Bike-Check vor dem ersten Downhill zeigte keine technischen Probleme an unseren Rädern. Doch dann müssen wir erst einmal in einer steilen Forcella (Scharte) und Tragepassage die Räder schonen, bevor es dann in unzähligen Kehren, immer noch sehr steil und fordernd, nach 10 Stunden und 1200 Höhenmetern dann wieder flacher, zurück zu den Autos geht.
Am nächsten Morgen nach einer geruhsamen Nacht im Altastadt-Hotel „Croce Bianca“ in Asiago und einem Besuch des Marktes verlegen wir unseren Stützpunkt nach Borso del Grappa ins Hotel „Garden Relais“ am Fuße des Monte Grappa. Dieser ist die erste Erhebung nach der Po-Ebene und dessen Westflanke soll, mit den abfallenden Hängen zum Brenta-Tal hin, unser nächstes Ziel sein. Wir shutteln bis zu einer Höhe von 600 m und folgen bei gefühlten 35 Grad einem Forstweg bis zum Einstieg in den Single Trail. Leider tut sich dabei der Blick auf das steil eingeschnittene Brenta Tal nur selten auf. Die 1200 Tiefenmeter des steilen Militärpfades sind anfangs geschotterter, später in Rampen gepflasterter und fordern Dämpfung, Bremse, Handgelenk und Unterarm gleichermaßen. Das Motto – Hart an der Bremse bleiben – steht hier dem Genuss etwas im Weg, was aber der guten Stimmung im Team insgesamt nicht schadet.
Im Tal angekommen schütteln wir unsere Hände und Schultern kräftig aus, folgen der „Brenta„ Richtung „Bassano del Grappa“ und gelangen dann über „Pove del Grappa“ wieder zurück zum Hotel. Den Abend lassen wir bei kühlen Frischgetränken am Pool und später in der „Osteria Cantina Cà Cornaro“ bei „Vino e cucina fredda“ (Wein und kalter Küche) mit regionalen Produkten bis zum Einsetzen eines Gewitters ausklingen.
Am nächsten Morgen nach ausgiebigem Frühstück und unsicherer Wetterprognose, entscheiden wir uns wieder für einen Lift auf etwa 1000 Meter. Falls es mittags bereits zu gewittern beginnt, wollen wir wenigstens auf den Gipfel des 1775 m hohen Monte Grappa und auf der Straße abfahren. Vom Fahrer haben wir bereits am Vortag erfahren, dass uns an unserem Ausstieg ein Käsefest und auf dem Gipfel eine Gedenkfeier erwartet. Das Käsefest lassen wir mit noch vollem Magen rechts liegen und folgen bei kühleren Temperaturen als gestern einem Trail, der sich erst im Wald verliert und uns dann auch noch 200 Hm Tragepassage abverlangt. Zudem muss einer unserer Teilnehmer leider feststellen, dass sein Freilauf blockiert. Nach einer kurzen Reparatur- und Beratungspause entschließt er sich das Fahrrad zumindest auf den Gipfel zu tragen, um danach auf Asphalt ins Tal zu rollen. Der Rest der Gruppe erklimmt auf Rädern die letzten 450 Hm der Asphaltstraße bis zum „Rifugio Cima Grappa“, dort treffen wir uns wieder und füllen gemeinsam unsere Wasser und Nahrungsreserven bevor es dann getrennt wieder zu Tal geht. Anschließend besichtigen wir das wegen des Gedenktages gut besuchte monumentale Denkmal für die Toten im 1. Weltkrieg auf dem Gipfel des Monte Grappa. Es wurde 1930 von den Faschisten unter Mussolini auf dem Gipfel erbaut, um das italienische Helden-Epos aus dem 1. Weltkrieg zu verklären. Mittlerweile dient das Mahnmal zum Gedenken an alle Kriegstoten, mit mehr als 10 000 Opfern sowohl auf italienischer als auch auf österreichisch-ungarischer Seite. Aus Gründen der Pietät tun wir dies zu Fuß.
Das Wetter spielt mit und so freuen wir uns danach auf die vermeintlich schönste Abfahrt des langen Wochenendes. Zuerst geht es vom Gipfelplateau über den „Sentiero 156“, noch eher auf normalen Wander-Wegen, in eine Talsenke hinab, um dann einem alten Militärpfad an der Südseite des Monte Boccaor folgend durch einen Tunnel und auf Galerien wieder etwas anzusteigen. In der Ferne meinen wir die Lagune von Venedig zu sehen, bevor sich nach einer Linkskurve im Gegenhang der Blick auf den „Sentiero 153“ erstmals öffnet. Schmale weiße Zick-Zack-Schotterbänder, die in den Jahren 1917/18 von den Soldaten als Versorgungsweg angelegt wurden, ziehen sich in fast senkrechtem Gelände über 700 Hm sichtbar, insgesamt jedoch fast 1200 Hm ins Tal. Schon beim reinen Anblick steigt der Adrenalinpegel. Wir klettern noch auf eine kleine Hängebrücke über einem Felsdurchbruch, um einen besseren Blick zu erhalten. Dann geht es, nach ein paar Höhenmetern, rechts in den in Fachzeitschriften auch als Supertrail bezeichneten „Sentiero 153“. Hier ist Konzentration und Kontrolle angesagt und ein Absteigen über den Lenker oder Abschmieren zur Talseite hin ist absolut zu vermeiden. Jedoch merkt man schon nach den ersten Kehren, dass es sich hier um ein Mega-Flow-Erlebnis handelt, als ob die Soldaten damals weit über den Krieg hinaus gedacht hätten. So löst sich unsere anfängliche Anspannung in ein unweigerliches Grinsen auf, welches bis zum erreichen des Talgrundes beinahe von Ohr zu Ohr reicht. Dieser Trail alleine ist unsere Reise wert.
Auf dem Rückweg zum Hotel sind wir so euphorisch, dass wir auf Gegenanstiegen Rennen fahren und zufällig auch noch einige Motorrad-Trails erkunden. Nach 7 ½ Stunden 1070 Hm und 2060 Tm endet unsere Tour über den Monte Grappa und wird natürlich ausgiebig mit Erfrischungsgetränken am Pool, einem kleinen Ausflug nach Bassano del Grappa und einem Essen im Hotelrestaurant gefeiert.
Den letzten Tag wollen wir eigentlich am Bergstock Pasubio bei Rovereto Nähe Gardasee verbringen, jedoch macht uns der für ab Mittag angekündigte Starkregen einen Strich durch die Rechnung und wir entschließen uns für diesen Tag die Kulinarik in den Vordergrund zu stellen. Zuerst besuchen wir „Oleificio Genesotto“, einen regionalen Hersteller für Olivenöl, Kosmetik- und Feinkost-Produkte und erwerben dort u.a. extra natives Olivenöl. Danach besichtigen wir in Bassano del Grappa das „Poli Grappa Museum“. Dort erfahren wir in historischen Räumen viel über die Geschichte des Destillierens, im speziellen aber über die Herstellung von Tresterbränden der seit 1898 bestehenden Firma Poli. Nach einer abschließenden Probe decken wir uns mit Souveniers und für den Eigenbedarf ein. Bevor wir uns dann auf den langen Heimweg machen, nehmen wir noch in der Osteria „Alla Caneva“ klassich italienische Pasta mit „Baccalà e Pomodoro“ (Stockfisch und Tomaten) zu uns. Der bereits während des Essens einsetzende und nach der Abfahrt zunehmende Regen bestätigt die am Morgen pro Genuss getroffene Entscheidung. Nach
mehr als 7 Stunden Fahrt größtenteils in strömendem Regen erreichen wir erschöpft wieder Eichstätt.
Abschließend wollen wir uns noch bei Herbert Kirschner für die akribische Vorbereitung und Planung der Tour in Bezug auf die Trails, Navigation, Unterkünfte, sonstige Aktivitäten und auch die historischen Hintergründe bedanken. Insgesamt folgten wir zudem keinem starren Plan, sondern es gab immer Platz für Alternativen und Spontanitäten. Gerade diese Flexibilität wirkte sich äußerst positiv auf die Gruppe aus, so dass wir Flow-Erlebnisse nicht nur aus Bikersicht, sondern auch in Bezug auf das interne Klima erlebten, was die trotz täglicher Anstrengung langen gemeinsamen Abende durchweg bestätigen. Bemerkenswert ist vielleicht auch noch zu erwähnen, dass wir von keinem einzigen Negativ-Erlebnis im Aufeinandertreffen von Wanderer und Biker berichten können. Es war immer der nach oben gerichtete Daumen, der uns von den italienischen Passanten entgegengehalten wurde. Gerade in Zeiten von gefühlt zunehmendem Unverständnis dieser beiden Sportgruppen, sollte das nicht unerwähnt bleiben. So bliebt uns nur in der Gesamtbetrachtung eine 1 mit Stern zu vergeben und wir schreien nach Wiederholung.
Teilnehmer:
Herbert Kirschner, Ralf Eiba, Alexandra Krapf, Joachim Hausmann, Leon Böhmer, Bernd Zengerle
Bericht: Bernd Zengerle
Fotos: Herbert Kirschner